Prinzessin und der Filmemacher
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Sie hatte alle seine Filme gesehen und konnte nicht sagen, welcher davon ihr der liebste war. Na ja, vielleicht doch der über die Prinzessin, die aus ihrem goldenen Käfig ausbricht und für einen Tag nach Hamburg fährt, um unerkannt durch die Straßen und am Hafen entlang zu bummeln. Und dabei natürlich einen tollen Mann trifft ...

Aber Hamburg war weit für eine Prinzessin wie Cecilia, die in einem mediterranen Land aufgewachsen war. Studiert hatte sie in der Schweiz. Nicht lange nach ihrem Abschluss bekam sie bereits die ersten Repräsentationspflichten von ihrem Vater, dem König des Landes, übertragen. An manchen Tagen war ihr Terminkalender so angefüllt mit Besuchen, Empfängen, Galadiners und Premierenbesuchen, dass sie kaum noch in den Fitnessraum kam. Der Friseur, ihr persönlicher Trainerinund der Designer gingen im Schloss ein und aus, um Cecilias Aussehen auf dem Level zu halten, das in den Gazetten weltweit als vorbildlich bejubelt wurde. Dabei steckte harte Arbeit dahinter.

Sie erfuhr es von ihrer Sekretärin: "Regisseur Jaime Busquet ist in der Stadt. Ihr Vater wird ihn heute empfangen, Königliche Hoheit. Er wünscht, dass Sie auch anwesend sind. Um 19.00 Uhr wird der Künstler erwartet."

Die Mangofilets und der Frischkäse zum Frühstück wollte nicht recht rutschen, Cecilia war zu aufgeregt, um zu essen. Sie ließ ihren Coiffeur Aristide kommen und überlegte, in welchem Kleid sie Jaime Busquet zum ersten Mal unter die Augen treten sollte. Sie kannte ja seine Gesten, sein Auftreten und sein interessantes Gesicht bis ins kleinste Detail aus den Medien.

Der große Augenblick kam rasch näher. Der Empfang des weltberühmten Regisseurs und seiner beiden Stars sollte von einem kleinen inoffiziellen Abendessen gekrönt werden. Das waren eine reife Diva und ein Jungschauspieler vom Typus "Latin Lover". Außer ihrem Vater würden noch Cecilias 19-jähriger Bruder Christopher und der Kulturminister ihres Landes nebst Gattin mit zu Tisch gehen. Cecilia hatte sich für ein nudefarbenes Cocktailkleid mit Corsage entschieden, das ihren zart gebräunten Teint gut zur Geltung brachte. Ein langes Kleid war nicht erforderlich, obwohl die rundliche Diva sicher eines tragen würde.

Sie hatte sich nicht getäuscht: Die Diva erschien melodramatisch in einer lila Satin-Robe und strahlte eine große Selbstsicherheit aus. Und dann verbeugte sich ER vor ihr: "Königliche Hoheit, ich bin ehrlich entzückt, Sie endlich einmal persönich kennenzulernen. Sie kennen meine Vorliebe für den Adel." "Oja, Herr Busquet, seien Sie uns willkommen", antwortete Cecilia und sah ihm tief in die Augen, die in Wirklichkeit noch feuriger funkelten, als sie es sich bereits erträumt hatte. Wer auch immer die Tischordnung bestimmt hatte: Er hatte es gut gemacht! Ganz in Cecilias Sinne, denn Jaime Busquet wurde an ihrer Seite platziert. Sie vertrat heute nach der Hofetikette ihre Mutter, die Königin, die im Sanatorium weilte. Nur Cecilia wusste, dass es sich dabei um die Klinik eines berühmten Genfer Schönheitschirurgen handelte, den ihre Mutter alle fünf Jahre aufsuchte.

Die Konversation mit dem elegant, aber unkonventionell gekleideten Regisseur, dessen dunkle Locken weiter über den Hemdkragen hingen als vermutet, verlief auf einem hohen Niveau. Wie viele Künstler war er sehr bewandert in seinem Metier und setzte allerlei Kenntnisse bei seinen Gesprächspartnern voraus. Der Kulturminister, der auf der anderen Seite von Cecilia saß, versuchte sich mehrfach einzumischen und mit seinem Wissen zu brillieren. Er übersah gänzlich die exquisite Lachsterrine, die als Vorspeise gereicht wurde. Auch Cecilia vergaß das Essen fast, aber sie bemerkte belustigt, mit welchem Appetit sich Jaime Busquet darüber hermachte. Seine Tischmanieren waren leicht gewöhnungsbedürftig, seinen Augen aber war sie bereits vor dem zweiten Gang verfallen.

Sie spürte zunehmend das Herzklopfen bei jedem Satz, den Jaime Busquet an sie richtete, und sie hatte das Gefühl, er würde tief bis auf den Grund ihrer Seele blicken mit diesen bezwingenden Augen, die zwischen Jadegrün und Anthrazit zu changieren schienen. Schließlich fasste sie sich ein Herz und fragte: "Wie lange bleiben Sie denn noch vor Ort?"

Sie erfuhr, dass Jaime Busquet noch keinen Rückflug nach Spanien gebucht hatte, weil er sich hier nach Locations für seinen neuen Film umsehen wollte. Natürlich verpasste er nicht die Gelegenheit für die erwartete Rückfrage, ob Cecilia Lust und Zeit hätte, ihm ihr Land zu zeigen. Sie willigte erfreut ein, sagte aber, sie könne es nur im Rahmen ihrer knapp bemessenen Zeit tun. Aber er dürfe sie gern am nächsten Abend zu einem Theaterbesuch begleiten, bei dem die Königsfamilie erwartet wurde.

Sein strahlendes Lächeln belohnte sie für den Fauxpas - und machte ihr Mut für den nächsten, den natürlich alle bemerkten. Sie reichte Jaime Busquet zum Abschied die Hand, und er küsste diese auch nicht comme il faut, sondern drückte seine glühenden Lippen auf ihren Handrücken. Danach waren sie beide verlegen wie ertappte Sünder.