Prinzessin
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Prinzessin Antonia von Lichtenau stand am Fenster der Bibliothek und schaute hinaus in den Park. Antonia liebte diese Aussicht, so wie sie Schloss Haselhöhe liebte, das seit Jahrhunderten im Familienbesitz war. Die Abendsonne brachte Antonia zum Träumen.

Vor drei Tagen war sie beim Ball einem Mann begegnet, hatte mit ihm geplaudert und die ganze Nacht hindurch getanzt. Seitdem dachte Antonia unentwegt an ihn. An so etwas wie Liebe auf den ersten Blick hatte die Prinzessin niemals geglaubt. Jetzt war sie nicht mehr so sicher. Im leisen Zwitschern der Vögel, die sich in den uralten Bäumen zur Nachtruhe versammelten, meinte Antonia seinen Namen zu hören - Kilian.

Leider war dies nicht der Zeitpunkt zum Träumen. Denn gestern hatte ihr Oheim Fürst Bodo von Herzfeld ihr eröffnet, er habe sich nach einem passenden Ehemann für sie umgesehen. Antonias Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, als sie gerade zehn Jahre alt war. Onkel Bodo war seither ihr Vormund und verwaltete ihr Vermögen. Antonia hatte ihn immer gemocht und seine Entscheidungen respektiert. Nun zweifelte sie zum ersten Mal.

Die Stimme ihres Onkels klang der Prinzessin noch im Ohr: "Wie du ja weißt, mein Kind, haben deine Eltern nur ein sehr überschaubares Vermögen hinterlassen. Ich habe mich in all den Jahren bemüht, es nach bestem Wissen und Gewissen für dich zu verwalten. Und ich fand es wichtiger, dich auf ein angesehenes Internat zu schicken, als Geld in dieses marode Schloss zu stecken. Jetzt sehe ich nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder wir verkaufen das Anwesen oder wir finden einen finanzkräftigen Ehemann für Dich. Weil ich weiß, wie sehr Du an diesem Schlösschen hängst, möchte ich dir morgen einen jungen Mann vorstellen, der als Bräutigam infrage kommt."

Nun stand diese Begegnung unmittelbar bevor. Unentschlossen blieb Antonia noch einen Moment auf der Galerie stehen. Dieser Platz erlaubte es, Ankömmlinge zunächst aus einiger Entfernung zu betrachten. Als der Besucher eingelassen wurde, glaubte Antonia, ihren Augen nicht zu trauen. Überrascht musterte sie den jungen Mann. Der helle Sommeranzug und das dunkelblaue Hemd passten perfekt zu Kilians hellblonden Locken und dem sonnengebräunten Gesicht.

Langsam schritt Antonia die Treppe hinab und ging auf ihn zu. Ihre Blicke trafen sich und Antonia versank – wie schon ein paar Tage zuvor - in diesen wunderbaren, dunkelbraunen Augen. Antonias Herz schlug bis zum Hals, sie brachte kein Wort heraus, nickte dem Gast nur lächelnd zu. Kilian erwiderte ihr Lächeln, nahm zur Begrüßung ihre Hände in die seinen und drückte sie zärtlich.

Es sollte ein wunderbarer Abend werden. Antonia und Kilian waren so vertraut miteinander, als würden sie sich seit Jahren kennen. Nach dem Abendmahl begaben sich die beiden zu einem Spaziergang in den Park. Seinen Arm um Antonias Schulter gelegt, flüsterte Kilian: "Ich verspreche dir, aus deinem Schloss wieder ein richtiges Schmuckstück zu machen und ein Heim für unsere Kinder."

Wenig später hielt Kilian Weber, der Juniorchef des bekannten Bauunternehmens Weber & Söhne, bei Fürst Bodo von Herzfeld offiziell um die Hand seiner Nichte an.