Nach einer langen Autoreise kommen Andrea und Markus endlich in ihrem Holiday-Resort an. Die Stimmung erinnert sie ein wenig an ihre Flitterwochen vor zwei Jahren. Das war da damals auf Hawaii. Nun haben sie am schönsten Landstrich einer sowieso schon traumhaften Küste gebucht. Der liegt ganz im Süden, sodass sie auf der Hinfahrt die gesamte Strecke genießen konnten. Eigentlich war Andrea für Fliegen, doch Markus wollte endlich mal wieder mit dem Auto in den Urlaub, so wie früher mit seinen Eltern. Die Reise dauerte zwei Tage, aber nun sind sie endlich am späten Nachmittag angekommen.
Schon beim Betreten der Anlage spüren sie eine Atmosphäre der Erholung und Entspannung. Die gepflegten Gärten mit ihren blühenden Blumen, die sanft plätschernden Springbrunnen und die eleganten, weißen Gebäude lassen erahnen, dass man sich hier um ihr Wohlbefinden bemüht und dass einiges an Komfort und Service geboten wird.
Markus streckt sich ausgiebig, froh, endlich angekommen zu sein. Er wirft einen prüfenden Blick auf den großzügigen Poolbereich mit seiner großen Anzahl an Liegen und Sonnenschirmen. Es genießen immer noch eine Menge Gäste die Abendsonne, auf den Liegen oder im Wasser der vielen Schwimmbecken.
Andrea kann kaum die Augen von den weiten Grünflächen und den vielen Pflanzen lassen, die von kunstvoll geschnittenen Hecken und duftenden Sträuchern gesäumt sind.
"Schau mal, dort drüben gibt es sogar einen Fitnessparkour", sagt Markus begeistert und zeigt auf eine Ecke des Geländes, wo moderne Sportgeräte unter freiem Himmel aufgestellt sind. Andrea lächelt nur, während sie das türkisfarbene Meer im Hintergrund erblickt und am liebsten sofort in Wasser springen würde. Sie freut sich auch auf die Entspannung und die vielen Wellness-Angebote, von denen sie gelesen hat.
Sie checken an der Rezeption ein. Eine Angestellte zeigt ihnen den Weg zu ihrem Zimmer. Die Suite ist hell und geräumig, mit einem Balkon, der einen atemberaubenden Blick auf das Meer bietet. Andrea lässt sich in das weiche Bett fallen und seufzt zufrieden.
„Das wird herrlich“, sagt sie.
"Ja, das wird es", antwortet Markus abwesend, in Gedanken schon bei seinen Workouts.
"Du, wollen wir kurz in den Pool springen?", schlägt Andrea vor.
"Ich bin dabei."
Der erste Morgen im Resort beginnt mit dem üppigen Frühstücksbuffet des Hotels. Andrea genießt frische Früchte, ein Croissant und einen Cappuccino, während es für Markus erst Eier mit Speck und danach reichlich Pfannkuchen mit Ahornsirup gibt. Die Sonne strahlt bereits warm auf die Terrasse des Restaurants. Sie sind dabei, ihren ersten Urlaubstag zu planen.
„Ich habe uns für den Bogenschießen-Kurs am Vormittag angemeldet“, sagt Markus, während er genüsslich seinen Kaffee schlürft. „Das wird spannend!“
„Klingt gut“, antwortet Andrea lächelnd, obwohl sie da nur mitmacht, weil Markus sich dafür interessiert. „Danach würde ich gerne in den Ort gehen und ein bisschen shoppen. Du weißt ja, die haben hier alles an Markenprodukten zu Schleuderpreisen.“
"Man kann nur ahnen, warum." Markus verzieht leicht das Gesicht, nickt aber zustimmend. „Klar, können wir machen. Aber erwarte nicht, dass die Sachen echt sind.“
"Natürlich sind die echt.", protestiert Andrea. "Fälschungen würden viel weniger kosten. Das ist hier eine Steuer-Geschichte oder so. Ich habe mich vorher erkundigt, auch im Internet. Die Sachen sind einwandfrei, meinen alle."
Der Bogenschießen-Kurs findet unter der prallen Sonne statt. Die Teilnehmer werden von einem freundlichen Instruktor empfangen, der ihnen geduldig die Grundlagen erklärt. Markus ist begeistert und trifft nach einigen Versuchen sogar die Zielscheibe. Andrea, die eher zögerlich angefangen hat, freut sich ebenfalls über ein paar Treffer.
Markus hat sich das irgendwie leichter vorgestellt. Offenbar ist dieser Sport doch nicht sein Ding. Das kann man alleine daran erkennen, dass Andrea fast genauso oft trifft, wie er, obwohl sie sich viel weniger Mühe gibt. Doch das ist Markus egal. Es war trotzdem eine interessante Erfahrung.
Nach dem Bogenschießen geht es an den Strand. Danach machen sie eine Siesta. Markus besorgt zwei Hotel-Fahrräder. Es geht in den nahegelegenen Ort. Die engen Gassen sind gesäumt von kleinen Boutiquen, Cafés und Souvenirläden. Andrea stöbert begeistert durch die Auslagen, während Markus wie ein kleiner Junge hinterher trottet, der von seinen Eltern gezwungen wird, sich im Urlaub Sachen anzusehen, obwohl er lieber im Pool plantschen würde.
In einer kleinen Boutique bleibt Andrea stehen und bewundert ein buntes Seidentuch. „Das ist wunderschön“, sagt sie und hält es an sich, um es Markus zu zeigen. „Was meinst du?“
Markus zuckt mit den Schultern. „Ja, sieht ganz nett aus. Aber brauchst du wirklich noch ein Tuch? Du hast doch schon so viele.“
Andrea lacht. „Nicht in der Farbe mit dem tollen Muster. Das ist irgendwie Hippie und gleichzeitig Art Nouveau. Außerdem wird mich das an diesen Urlaub erinnern.“
Am Nachmittag sitzen sie in einem kleinen Café und genießen ein kühles Getränk. Andrea zeigt Markus ihre Einkäufe, indem sie ständig eine der vielen Papiertaschen öffnet und ihm den Inhalt unter die Nase hält. Obwohl der Shoppingausflug nicht seine Lieblingsbeschäftigung war, ist er froh, Zeit mit Andrea zu verbringen und ihren Enthusiasmus zu sehen.
"Weißt du, heute Morgen beim Bogenschießen hatte ich wirklich Spaß", sagt Markus, als sie auf ihren Tag zurückblicken. "Und das, obwohl ich gar nicht gut darin war. Es macht einfach Spaß, mal was Neues zu probieren.“
"Dann willst du also noch öfter zum Bogenschießen?"
"Jetzt wollen wir es mal nicht übertreiben. Ein Mal reicht da völlig."
Andrea lächelt. „Ja, es war ein toller Tag. Ich freue mich auf die ganzen Urlaubstage, die noch vor uns liegen. Wir werden sicher noch viel Spaß haben.“
Markus nickt zustimmend. "Das denke ich auch."
Am nächsten Morgen tritt Markus seine Mountainbike-Tour an. Auch daheim besitzt er ein Mountainbike, wobei er damit meist nur in der Stadt unterwegs ist und das auch schon seit Jahren nicht mehr richtig. Trotzdem fühlt sich Markus topfit wie immer. Er ist voller Enthusiasmus und möchte seine gottgegebene starke Konstitution unter Beweis stellen.
Andrea wünscht ihm viel Spaß und erinnert ihn daran, sich gut einzucremen. Markus nickt abwesend und macht sich auf den Weg.
Eine kleine Gruppe von etwa zehn Teilnehmern trifft sich vor dem Resort. Der Tourguide, ein drahtiger Mann mittleren Alters, begrüßt die Gruppe und gibt eine kurze Einführung. Es bekommen auch alle ihre Fahrräder. Dann geht es recht bald los.
Markus merkt schnell, dass die anderen Teilnehmer fitter und geübter sind, als er, lässt sich aber nicht entmutigen. Er ist es im Berufsleben gewohnt, mit den Haien zu schwimmen. Da wird ihm eine kleine Fahrrad-Tour aus dem Reisekatalog schon keine Probleme bereiten.
Die Strecke führt durch eine malerische Landschaft mit sanften Hügeln und kleinen Wäldern. Nach einer Stunde merkt Markus, dass er die Gruppe aufhält. Er hat Mühe, das Tempo zu halten. Die anderen Teilnehmer sind geduldig, es gibt keinen Grund zur Eile, doch Markus fühlt sich wie ein Klotz am Bein.
In einer besonders steilen Passage rutscht Markus vom Pedal ab und stürzt fast. Obwohl er das Schlimmste verhindern konnte, zieht er sich eine leichte Schürfwunde zu. Außerdem ist er ziemlich erschrocken. Der Tourguide hat zum Glück Verbandszeug dabei. Er bietet ihm an, die Tour abzubrechen, doch Markus will nicht aufgeben. Mit schmerzenden Beinen und schwindender Energie kämpft er sich weiter voran.
Am Ende des Martyriums fällt Markus ein Stein vom Herzen. Sein ganzer Körper schmerzt und er fühlt sich überhitzt. Er verabschiedet sich von den anderen. Dann schleppt er sich die letzten Meter zu seinem Zimmer, wo Andrea bereits auf ihn wartet, ausgeruht und in strahlender Frische. Sie hat an einem Wellness-Programm mit Schönheitsbehandlung teilgenommen und hat auch eine Massage genossen.
Auf einmal bemerkt Markus einen brennenden Schmerz auf seiner Stirn. Natürlich, die Mütze. Die ist ihm während der Fahrt verrutscht und er hat sie beim Eincremen anders aufgehabt, als später. Offenbar hat er sich an einigen Stellen einen Sonnenbrand zugezogen.
Am nächsten Morgen stellt sich heraus, dass der Sonnenbrand schlimmer ist, als gedacht. Teile von Markus Stirn sind feuerrot und schmerzen bei jeder Berührung. Hinzu kommt ein starker Muskelkater in den Beinen, der jede Bewegung mit einem Schmerz beantwortet.
Markus ist gezwungen, die nächsten Tage im Dunkeln zu verbringen, um seine Haut zu schonen. Am Anfang bereitet ihm sogar der Gang auf die Terrasse wegen des Muskelkaters Schmerzen. Andrea umsorgt ihn natürlich in dieser Zeit. Sie bringt ihm Getränke und holt die Arzneimittel, die der Arzt verschrieben hat.
"Du hättest besser auf mich hören sollen, also ich dich erinnert habe, dich ausreichend einzucremen.", sagt Andrea, während sie die kühlende Lotion aufträgt.
„Ja, du hast Recht.“, murmelt Markus und schließt die Augen. Jetzt will er sich nicht mit ihr streiten. Er war doch eingecremt. Nur hatte ihm seine verrutschende Mütze einen Streich gespielt.
Während Markus gesundheitsbedingt den Sonnenscheuen gibt, verbringt Andrea viel Zeit am Pool oder nimmt am Programm des Hotels teil. Es sind vor allem die Meditationskurse und die Aerobicstunden, die sie besucht. Natürlich vergisst sie auch Markus nicht und setzt sich immer wieder zu ihm auf die Terrasse.
"Wie war dein Tag am Pool?", fragt Markus, als sie am Nachmittag etwas später zurückkehrt, als üblich.
Das ist natürlich eine sarkastische Frage. Sie war maximal vier Stunden weg und nicht den gesamten Tag. Damit will Max nur seinen Unmut darüber ausdrücken, dass sie ihn so lange alleingelassen hat.
"Nett. Ich habe mich mit ein paar Leuten unterhalten. Dabei ist die Zeit irgendwie so schnell vergangen."
"Wenigstens hattest du deinen Spaß."
"Du, ich kann auch nichts dafür, dass du dich übernommen hast.", kontert Andrea. "Wie bist du überhaupt darauf gekommen, dass du ohne Übung an so einer Tour teilnehmen kannst?"
"Ohne Übung? Schon in der Schule war ich die Sportskanone. Auch danach war ich immer in guter Form. Das lässt sich an einer Menge Fotos gut erkennen."
"Du warst während deiner Party-Zeit im Fitness-Studio eingeschrieben. Aber besonders oft hast du es nicht besucht. Schon vergessen? Wir kennen uns bereits eine ganze Weile."
"Weil ich es nicht nötig hatte."
So langsam findet Markus seinen Frieden mit der Situation. Dann eben kein Sporturlaub. Und wenn er Glück hat, kann er sich in ein paar Tagen wieder an die Sonne trauen. Am besten ist aber, dass Markus damit beginnt, den Augenblick zu genießen. Er liegt auf der Terrasse, blickt auf einen Palmengarten, entspannt sich und verbringt eine gute Zeit. Andrea hat ihm einen Geschichtsroman besorgt. Einen dieser Schinken, die spannend geschrieben sind und wo man immer wissen möchte, wie es weitergeht. Auch körperlich fühlt sich Markus langsam wohl. Er entdeckt, dass es schön sein kann, alleine zu sein und zwischendurch ein paar Minuten zu schlummern.
Stimmen reißen Markus aus der Ruhe seines kurzen Nachmittagsschlafes. Es ist Andrea und im Schlepptau hat sie noch drei fremde Leute.
"Hey, das sind Hans, Isabell und Frank."
Markus fühlt sich in seinem persönlichen Bereich gestört. Doch er kann jetzt auch nicht den Spielverderber geben und muss wohl eine Weile freundlich mitspielen. Er beschließt, seinen Ärger hinunterzuschlucken und ihn später für Andrea aufzubewahren, wenn er ihr ausgiebig mitteilen wird, was er von diesem Überraschungsbesuch hält. Oder von unangekündigten Besuchen im Allgemeinen.
"Weißt du, wie ich mich gefühlt habe?", versucht Markus seiner Partnerin später klar zu machen, dass sie ein No-Go hingelegt hat. "Meine Privatsphäre wurde verletzt und ich kam mir vor wie zur Schau gestellt."
"Tut mir leid.", versucht Andrea zu erklären, warum sie die Leute mitgebracht hat. "Ich dachte, ich tu dir eine Freude."
"Eine Freude?", kann es Markus nicht fassen. "Wie schlecht kennst du mich eigentlich? Seit wann bin ich über unvorhergesehenen Besuch froh?"
"Das habe ich vergessen. Ich habe dich nur alleine auf der Terrasse gesehen und wollte nicht, dass du ausgeschlossen bist, während ich Leute kennen lerne und mich amüsiere."
"Und dann hast du die ganze Meute an den Ort gebracht, an dem ich mich regenerieren möchte. Und das ohne Vorwarnung."
"Sorry. Ich hätte dich anrufen sollen. Aber ich dachte, die Auslandsgebühren."
"Es gibt diese Gebühren nicht mehr. Und selbst wenn."
Am nächsten Tag war die Stimmung zwischen dem Pärchen etwas unterkühlt. Man unterhielt sich sachlich, aber es lag eine Belastung in der Luft. Als Andrea nach dem Abendessen fragt, ob Markus mit an die Poolbar zu den Anderen will, lehnt er dankend ab und verweist auf seinen dicken Roman, den er erst zu einem Drittel fertig hat.
"Und bring deine neuen BFs diesmal bitte nicht mit.", ruft er ihr noch hinterher.
Immerhin hat sie seinen Wunsch respektiert, denkt Markus Stunden später, während er wach im Bett liegt. Es geht auf Mitternacht zu. Er dachte, er wäre müde, doch nun kann er doch nicht einschlafen. Das liegt auch daran, dass Andrea immer noch nicht zurück ist.
Aus dem offenen Fenster hört er weit entfernte Musik und Amüsiergeräusche. Irgendwo jubelt eine Gruppe Touristen. Das alles findet weit weg in einer gedämpften Lautstärke statt. Die Geräusche bedrücken Markus. Er hat das Gefühl, etwas zu verpassen. Es ist weniger die Party. Auf die kann er verzichten. Doch seine Partnerin wünscht sich etwas von ihrem Urlaub und er ist nicht bereit, sie dabei zu unterstützen und ihr das zu geben. Womöglich steht sie jetzt in einer Diskothek und flirtet mit fremden Männern.
Nicht viel später dreht Andrea den Schlüssel um. Markus ist noch immer wach und steht auf, um sie zu empfangen.
"Und? Wie war es?"
"Lustig. Du hast etwas verpasst. Wie war dein Klosterbuch?"
Doch anstatt sich nun zu streiten, nimmt das Gespräch eine andere Wendung. Genau genommen ist es kein Gespräch mehr. Sie lachen und Andrea versucht Markus, eine Clownsnase aufzusetzen.
"Wo hast du denn die her?"
"Das willst du nicht wissen."
"Doch, erzähle es mir."
"Trostpreis für eine verunglückte Karaoke-Gesangseinlage. Ich kann sie gerne für dich wiederholen."
"Du hast Recht gehabt. Ich wollte es wirklich nicht wissen. Manchmal sollte ich auf dich hören."
"Nur manchmal? Immer!", ruft Andrea ironisch, noch immer etwas aufgedreht vom nächtlichen Ausgehen.
"Na gut, dann höre ich von nun an immer auf dich."
In den folgenden Tagen verfliegt Markus Sonnenbrand. Körperlich erholt hat er sich sowieso schon länger, als ihm lieb war. So langsam findet er wieder Freude an Aktivitäten und sogar an sportlicher Bewegung. Was aber noch viel wichtiger ist, mit Andrea kam wieder alles in Ordnung. Etwas schien sich zwischen sie gedrängt zu haben und das ist jetzt weg. Es war nicht die Einsicht, dass sie mit ihren Sport-Ratschlägen Recht hatte, was dafür sorgte, dass aus ihrer Beinahe-Beziehungskrise keine wurde. Sie hatte Recht, aber das sollte Markus erst später feststellen. Vielmehr war es die Einsicht, dass es viel besser ist, ineinander verliebt zu sein, als sich wegen irgendwelcher Prinzipien zu kabbeln. Er hatte sich in seine Privatsphärenverletzung hineingesteigert, während sie ihm eine Lehre erteilen wollte.
Im Nachhinein gesteht sich Andrea ein, dass der Überraschungsbesuch eine riskante Angelegenheit war und Markus kein besonders sozialer Mensch ist. Er hat seine Kollegen, seine zwei Buddies und ihren gemeinsamen Freundeskreis, der sich mit den Buddies und Kollegen teilweise überschneidet. Alles, was darüber hinaus geht, blockt er ab. Eigentlich hätte sie sich denken können, dass Markus so eine Überraschung nicht gefällt. Doch etwas ritt sie, ihn aus Prinzip mit einer solchen Situation zu konfrontieren. Für sie gehört der Austausch mit anderen Reisenden eben genauso zum Urlaub. Den sucht sie eigentlich nicht alleine, sondern als Paar. Markus Sonnenbrand ging ihr somit gleich doppelt auf die Nerven. Er hatte mal wieder einen Grund gefunden, alle Teile seiner Umgebung zu ignorieren, die nicht in sein Konzept passen. Entweder er will den Supermann spielen und übernimmt sich, oder er macht auf Mimose. Solche Erziehungsgedanken trieben sie dazu, ihn mit einer ungewohnten Situation zu konfrontieren, obwohl er noch in seinem Rückzugsmodus war. Aber der ist zum Glück Geschichte, seitdem er wieder an die Sonne kann.
"Du musst jetzt nachcremen?", ermahnt Andrea Markus am Strand, während sie auf die Uhr sieht.
"Jetzt schon? Wie die Zeit vergeht."
"Das ist nur, weil du noch besonders vorsichtig sein musst. Warte, ich mach das."
"Du, ich habe darüber nachgedacht, mit dem Sportprogramm.", sagt Markus, nachdem Andrea fertig ist. "Genau genommen habe ich eine Menge Artikel dazu gelesen und mich auch mit der AI darüber unterhalten. Über den aktuellen Stand der Erkenntnisse."
"Und zu welchem Schluss bist du gekommen?"
"Unter anderem zu dem, dass es Blödsinn ist, ausgerechnet im Urlaub von null auf Hundert zu starten. Aber das ist eigentlich unwichtig, inzwischen. Ich habe etwas viel Wichtigeres daraus gelernt."
"Dass du nicht jede Warnung ignorieren solltest?"
"Das auch, aber da waren wir schon. Ich meine etwas wirklich Bedeutsames. Es geht um körperliche Bewegung und auch ein wenig um Ernährung beziehungsweise den gesamten Lebenswandel."
"Genau damit habe ich mich in den letzten Monaten auch oft beschäftigt.", freut sich Andrea über Markus Interesse und die neue Gemeinsamkeit, die sich fast unerwartet aufgetan hat.
"Du, lass uns da ein paar Optimierungen planen.", schlägt Markus vor. "Hin zu einem gesünderen und sportlicheren Leben. Das geht alles Hand in Hand. Es ist faszinierend, wie sehr Muskeln Krankheiten vorbeugen."
"Ja!", jauchzt Andrea und springt fast von ihrer Standliege auf. "Das machen wir."
Nach dem Strand gehen Markus und Andrea quer durch die Hotelanlage zu dem Meditationspavillon, der in einem besonders ruhigen Teil liegt. Man hört das Meeresrauschen und überall zieren besonders schöne Blumen den Garten.
"Du hast also die Meditation für dich entdeckt?", ist Andrea immer noch erstaunt darüber, dass ihr Ehemann sie da begleiten will.
"So ähnlich. Ich habe etwas darüber gelesen."
"Sicherlich, dass es gut für die Gesundheit ist."
"Dafür ist es auch gut? Noch besser. Nein, ich meine das mit dem Geld. Leute, die meditieren, sind statistisch gesehen erfolgreicher, haben ein höheres Einkommen und besitzen in überdurchschnittlich vielen Fällen mindestens eine Immobilie. Also, lass uns ein wenig positives Karma einsammeln."
Andrea lacht und boxt ihm leicht in die Rippen.
Am Abend gehen sie mit Andreas neuen Bekannten aus. Da Markus seine Frau für deren Erscheinen nur in einem Vieraugengespräch kritisiert hatte, wurden da keine Brücken verbrannt. Es kamen nur ein paar interessierte Fragen, ob es ihm denn wieder bessere gehe. Nachdem Markus mit ihnen warmgeworden ist, verabreden sie, am nächsten Tag gemeinsam an einer Besichtigungstour teilzunehmen, die im Hotel angeboten wird und ein Mal die Woche stattfindet.
Es wurde noch ein toller Urlaub. Markus konnte seine Sportlichkeit beim Wasserski Kurs beweisen und Andrea entdeckte Wasser-Aerobic für sich neu. Es gab keine Störungen in der Harmonie und beide warten glücklich.
Am vorletzten Tag sitzen Andrea und Markus auf der Terrasse und machen das, was sie gerade als spannend empfinden. Statt traurig zu sein, dass die Ferien vorbei sind, planen sie ihr gesünderes Leben danach und freuen sich schon darauf.
"In welches der beiden Fitness-Studios wollen wir uns einschreiben?", überlegt Andrea.
"Wir nehmen das Nähere."
"Das hat bessere Kurse, ist aber etwas teurer."
"Dafür hat es auch noch einen Pool. Ich schau da manchmal hoch, wenn ich an der Ampel warte."
"Prima. Ich will sowieso vor allem Aerobic machen und viel schwimmen."
"Vergiss das Krafttraining nicht. Wurde die ganze Zeit unterschätzt.", erinnert Markus.
"Ich weiß. Ich weiß. Aber es macht halt weniger Spaß. Trotzdem, Muskeln verbrennen auch Fett."
"Und sie reduzieren unter anderem das Krebsrisiko. Das günstigere, das weiter weg liegt, hat anscheinend mehr Kraftgeräte."
"Das würde dafür sprechen. Aber der Weg wäre länger."
"Ja, fünf Extraminuten zu Fuß oder fast nichts mit dem Fahrrad."
"Dafür keinen Pool."
"Das ist ein Punkt.", meint Markus. "Auch eine Möglichkeit wäre, sich daheim ein Fitness-Studio einzurichten und für den Pool gelegentlich ins Hallenbad zu gehen."
"Aber wir haben doch nicht ausreichend Platz."
"Nicht in unserer jetzigen Wohnung. Früher oder später werden wir sicher umziehen. Spätestens, sobald wir mehr Platz brauchen."
Plötzlich steht Andrea von ihrem gegenüberliegenden Stuhl auf und setzt sich zu Markus auf die Liege.
"Wofür willst du denn mehr Platz?"
"Na falls wir plötzlich zu dritt sind.", sagt Markus und lächelt Andrea an. "Könnte theoretisch passieren."
"Du willst also, dass ich mir eine Traumfigur zulege, um sie kurz darauf zu ruinieren?"
"Nein. Die Traumfigur hast du jetzt schon. Und nach der Schwangerschaft kannst du sie ja wieder in Schuss bringen."
"Es sei denn, wir beschließen kurz darauf, noch ein Zweites zu bekommen."
"Wäre ich dabei."
"Das kannst du natürlich leicht sagen."
"Ich werde Tag und Nacht bereitstehen, dir alles zu erleichtern.", versichert Markus. "Und das auch noch in Top-Form als Muskelpaket."
"Weißt du, was so schön mit dir ist?", sagt Andrea. "Wir finden zusammen immer neue Dinge, die uns begeistern. Ein neuer gesunder Lifestyle, den wir beide wollen. Und jetzt das mit den Kindern. Der Urlaub geht zu Ende und wir sind kein bisschen traurig deswegen. Das liegt auch daran, dass wir so glücklich zusammen sind. Ich bin so froh, dass wir geheiratet haben."