Versprochene Prinzessin

Semira war eine Tochter des mächtigen Beg Kulenovic, ihre Mutter Saliha war die vierte und letzte Frau des Herrschers und wurde einst aus ihrer dalmatinischen Heimat als Sklavin von einem Raubzug auf die Burg des Beg gebracht. Nachdem sie aber dem Beg mit ihren schönen, italienisch anmutenden Gesichtszügen und ihrer schlanken Figur aufgefallen war, avancierte sie zu seiner Lieblingsfrau. Nach einiger Zeit war Katharina, die nun Saliha genannt wurde, schwanger und gebar im Juni des Jahres 1834 ein Mädchen.

Semira wuchs hoch oben auf der Burg Ostrovitza in der Nähe der Stadt Kulenvakuf, im Nordwesten Bosniens unter der Obhut der Frauen und Mädchen des Begs heran. In den ersten Jahren turnte sie oft munter die vielen Stufen hinauf zum Wehrgang, um den osmanischen Soldaten bei ihren spannenden Erzählungen zu lauschen. Semira war ein richtiger Wildfang und zauberte ihrem Vater oft ein Lächeln in das ernste Gesicht.

Beg Mehmed hatte viele Sorgen. Die Habsburger Soldaten rückten immer näher, aber Istanbul hielt ihn mit Geldmitteln knapp. Auf der Burg waren etwa 60 Soldaten und in Kulenvakuf konnten noch mal 300 Mann mobilisiert werden. Den Sold für die Soldaten zahlte der Beg oft in Naturalien, die einzigen Einnahmen kamen aus der Landwirtschaft. So richtig motiviert, um die Burg gegen die Habsburger zu verteidigen, waren die Soldaten also nicht. Lieber gingen sie dem Kartenspiel nach.

Als Semira zu einer hübschen Frau heranwuchs, war es ihr nicht mehr erlaubt, Räume der Burg zu betreten, in denen Männer anwesend waren. Sie wurde in den Räumen der Frauen, im sogenannten Harem, nun in Sprachen, Handarbeiten und anderen Dingen unterrichtet. Nur an bestimmten Tagen durfte sie Ausritte mit ihren Cousinen in den Ort unternehmen.

Bei einem dieser Ausritte kamen die Damen an einer Gruppe fescher Husaren vorbei, die dem Beg ihre Aufwartung machen wollten.

Eine Prinzessin bei einem Ausritt

Das war auch zu Kriegszeiten durchaus üblich. Semira, die ein Reitkleid und auf dem Kopf eine kleine Kappe mit einem daran befestigten Kurzschleier trug, wurde von Oberst Philipp vom Breiten Felde interessiert betrachtet. Semira senkte den Kopf und versteckte ihre Blicke, die durchaus neugierig waren, hinter ihrem Schleier.

Nach der Rückkehr in ihre Gemächer dachte sie nur noch an den feschen österreichischen Oberst. Aber der Vater hatte andere Pläne. Sie sollte mit dem Sohn des Begs Besirevic verheiratet werden, und zwar schon bald. Beg Besirevic gehörte einer uralten bosnischen Adelsfamilie an und diese besaß neben der Burg Ostrozac bei Bihac noch einige stattliche Ländereien. Wenn Semira erstmal dort verheiratet wäre, würden dem Beg Mehmed auch die Soldaten von Besirevic zur Seite stehen und bestimmt wären noch weitere Vorteile damit verbunden.

Semira ahnte nichts von den Plänen des Vaters, sie wartete auf den Oberst, der heute zum Vater wollte. Semira wusste, dass der Oberst ein Feind des Osmanischen Reiches und damit des Begs war. Trotzdem fand sie ihn sehr nett. Sie erhaschte im Gang, bei Vorbeigehen, seinen Blick, bevor er den großen Saal betrat. Das Gespräch dauerte sehr lange. Semira wartete versteckt hinter einer Holzwand. Beim Heraustreten sah er ihr in die Augen und fuhr zart über ihre Hand. Ihr Herz klopfte und gerne hätte sie seine Hand festgehalten.

Am nächsten Tag erfuhr Semira von ihrer Verlobung mit dem unbekannten jungen Mann von Ostrozac. Sie weinte herzzerreißend. Sie wollte hier nicht weg! Außerdem hätte sie gerne Oberst Philipp noch mal wiedergesehen. Nein, der Vater blieb hart. Es gab keinen letzten Ausritt mehr, ihre Abreise wurde vorbereitet.

Semira weinte und bettelte, aber auch die Mutter konnte ihr nicht helfen. Mit einem Vorwand verließ Semira die Frauengemächer und lief den Wehrgang hinauf. Oben angekommen, schaute sie in die Tiefe, sah die Soldaten beim Kartenspiel sitzen, nahm allen Mut zusammen und sprang in den Abgrund.

Die Trauer am nächsten Tag war groß, besonders bei den Soldaten und den Frauen, nicht beim Vater. Der war so wütend, dass der Name der Tochter nie wieder genannt werden durfte.

Dies ist eine wahre Geschichte. Übrigens verloren die Osmanen den Krieg gegen die Habsburger und der Beg musste kurz darauf die Burg verlassen. Oberst Philipp trauerte seiner bosnischen Prinzessin noch lange nach.

Autor: Petra Timm

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